Mario Jassmann hat alle verblüfft und nebenbei ein kleines Lehrstück geliefert: Ohne Druck geht manches besser. Der Amateurboxer aus Korbach feierte mit dem Titel bei den südwestdeutschen Meisterschaften seinen bislang größten Erfolg.
Erst am Freitagmittag war Jassmann angerufen worden, ob er bei den Gruppenmeisterschaften in Neustadt starten wolle. Keine 48 Stunden später hielt er zwei Pokale in den Händen den einen als Südwestmeister im Halbschwergewicht, den anderen als bester Kämpfer des Turniers.
Es war eine Glanzleistung von Mario, sagt Reinhard Jassmann. Da spricht nicht nur der Stolz des Vaters, sondern auch der Abteilungsleiter Boxen beim TSV Korbach. Bruder Manfred, der Ex-Profi, unter dessen Anleitung der frischgebackene Meister trainiert, sieht in dem Titel eine Belohnung für Beharrlichkeit, Fleiß und Disziplin. Sein knapp 23 Jahre alter Neffe schrieb in der Tat eine erstaunliche Erfolgsgeschichte und nutzte eine unverhoffte Chance. Er sagte seinen Start zu, obwohl er eigentlich nicht vorbereitet war. Fünf Wochen kein Sparring, nur Kraft- und Ausdauertraining. Ich bin ohne Erwartungen dahin gefahren, sagt Mario.
Als der Korbacher am Samstagabend in den Ring kletterte, hatte er den denkbar schwersten Gegner vor den Fäusten: Titelverteidiger Hüseyin Cinkara vom BC Schifferstadt, einen halben Kopf größer, vier Kilo schwerer und schon in die Nationalstaffel berufen. Der Außenseiter blieb freilich gelassen. Ich hatte ja keinen Druck, ich war völlig locker, sagt er. Gut eingestellt war er außerdem. Manfred hat ihm mit Einzeltraining seinen Profi-Stempel aufgedrückt, sagt Reinhard Jassmann. Sein Bruder gab die Taktik für den Kampf gegen den mehrfachen K.-o.-Gewinner Cinkara vor: eine kompakte Deckung und den Infight suchen. Sein Neffe hielt sich dran.
Ich bin immer an den Mann rangegangen, erzählt Mario. Cinkara konnte so seine Reichweitenvorteile selten ausspielen, während der Korbacher in der Halbdistanz wiederholt Körpertreffer setzte. Und seine Chance spürte. Ich habe gemerkt, wie er immer mehr gepustet hat. Und wenn man sieht, der andere wird platt, kann man weitermachen. Die nachlassende Kraft des Gegners beflügelte Jassmann, er mobilisierte alle Reserven und holte in den letzten drei Minuten die nötigen Punkte zum knappen Sieg.
Im Finale am Sonntagmorgen hieß der Gegner Roman Wehrwein. Der aktuelle Rheinlandmeister studiert und trainiert in Kassel, startet aber für das BoxTeam Lahn pikanterweise der Verein des ehemaligen HABV-Jugendwarts Rainer Simon. Wehrwein war wegen seines Freiloses im Halbfinale ausgeruht, doch ab Runde zwei wusste Jassmann: Er war trotz der Vorabend-Belastung körperlich stärker. In der Schlussrunde erhielt sein hilflos gewordener Gegner wegen ständigem regelwidrigen Abduckens und gefährlicher Schulterstöße sogar eine Verwarnung.
In der dritten Runde hatte ich leichtes Spiel, sagt Jassmann. Seine Müdigkeit war wie weggewischt, er hatte pausenlos agiert und mit schönen Schlagverbindungen den Gegner dominiert. Sein Punktsieg war hochverdient und auch eine Genugtuung für seinen Coach: Die Trainingsmethoden der Profis können wohl doch nicht so verkehrt sein, frohlockt Manfred Jassmann, für den der Titel so überraschend nicht kam: Konditionell sei die Grundlage gelegt gewesen. Das fehlende boxspezifische Training habe sein Neffe ausgleichen können: Mario hat in jungen Jahren genügend Erfahrung gesammelt, um Stil und Technikumstellung dennoch an den Mann zu bringen. Mario Jassmann hat sich für die deutschen Meisterschaften vom 8. bis 11. Dezember in Oldenburg qualifiziert.
Reinhard Jassmann